Das schwedische Rekrutierungssystem

von 1670 - 1901

Die schwedische Armee unterschied sich von zeitgenössischen Armeen, in denen es reguläre Kräfte in Bezug auf Einberufung, Bezahlung, sozialer Zusammensetzung, Ausbildung und Aufstellung gab, in zwei verschiedene Klassen oder Typen. „Indelta“ (schwierig zu übersetzen, jedoch ungefähr "zugeteilt"; die implizite Bedeutung ist "die Zuteilung [nach Zustand des Eigentums und Einkommens]"), und „Värvade“ (angeworben). Jedes verstehen der schwedischen Armee während der napoleonischen Periode muss mit diesen zwei verschiedenen Kategorien von Truppen beginnen. In anderen europäischen Armeen sagen die Begriffe "Garde", "Grenadiere", "Carabiniers", "Husaren" etwas über das Personal aus. Das sind Eliteeinheiten die speziell geschult wurden für die Aufgaben ihres Verbandes. Diese Begriffe sind für die schwedische Armee irreführend. „Indelta“ oder „Värfvade“ sagt viel mehr über die Ausbildung und Qualität der Einheit aus als irgendwelche anderen Titel. Die Mehrheit des gesamten schwedischen Armeepersonals (auch die Flotte, aber dieses Thema wird hier nicht besprochen) während der napoleonischen Kriege waren indelta. Dieses Personal wurde erhoben, aufrechterhalten und bildete sich durch den so genannten indelningsverket (ungefähr " die Zuteilungserrichtung"). Dieser Artikel wird dieses eigenartige und einzigartige System in einer Tiefe präsentieren.

Zurzeit der napoleonischen Kriege war der indelningsverk der Eckstein der schwedischen Armee und Marine seit der Regierung von Carl XI. (1672 - 1697). In den 1670er Jahren waren Schwedens Tage der Eroberung zu Ende. Es war nicht schwer vorauszusehen, dass eine gewaltige, fortwährende strategische Defensive auf das Land zu kam, um die baltischen Besitzungen zu schützen. Tatsächlich musste dieser Carl, noch ein Teenager als er König wurde, einen grauenhaften Verteidigungskrieg gegen Dänemark und Brandenburg (von 1675 bis 1679) führen. Schweden schaffte es ohne irgendwelche Landzessionen aus diesem Krieg raus zu kommen,  jedoch waren die Schwierigkeiten dieser kränklichen Macht deutlich zu sehen. Die Armee als auch die Marine waren durch die zerrütteten öffentlichen Finanzen im tiefen Zerfall begriffen. Beide mussten dringend umgebildet werden und es ist leicht zu sehen, dass Carl mit einer sehr schwierigen Aufgabe konfrontiert war.

Jedoch nahm Carl, ein strenger Lutheraner, die harte Arbeit in Angriff. Sofort nach dem Frieden 1679 begann er die schwedische Armee zu reformieren. Das wichtigste Problem für Carl war, wie man eine vernünftige, große, stehende Armee schuf ohne die öffentlichen Finanzen zu sehr zu beanspruchen. Die Antwort auf dieses Rätsel wurde im indelningsverk gefunden. Dies gestattete Carl bis zum Ende seines Lebens eine Armee, von mehr als 35.000 Soldaten bei relativ niedrigen Kosten, auf zu bauen. Die Entwicklung des indelningsverk war die größte Armeereform in Schweden seit der Mitte des 16. Jahrhunderts und sollte der Eckstein der schwedischen Streitkräfte sein. Erst 1901 wurde dieses System wieder  abgeschafft. (Arteus, pp.11-12, Ericson, pp.12-16 und 30-46, Grill, pp.39-40)

Bevor wir fortsetzen, indelningsverk zu beschreiben muss verstanden werden, dass dieses Wort verwendet wurde (und wird), für nicht weniger als drei verschiedenen Systeme des Rekrutierens und Bezahlens des Armeepersonals: das rotering, der rusthåll, und das "wahre" indelningsverk. (Noch verwirrender ist aber, dass einige dieser Systeme mehr als einen Namen haben und gelegentlich werden die zwei Letzteren als eines zusammengefasst!)

Der grundlegende Grundsatz des rotering war einfach. Der rotering oder rotehållet (oder der ständiga knektehållet) war eine Abmachung zwischen der Krone Schwedens und den Bauern jedes Kreises (landskap) oder Bezirkes (län). Jeder Kreis oder Bezirk erklärte sich bereit, ein Infanterie-Regiment, gewöhnlich 1200 Mann stark, als Entgelt für die Befreiung von der Einberufung, dem traditionellen und sehr unpopulären System der Infanterie-Einberufung, zu unterstützen. Zwei Farmen, oder mehr wenn der Kreis schwach war, bildeten eine rote (eine grundlegende Einheit der Verwaltung, folglich der Name rotering). Diese waren verantwortlich für den Unterhalt eines Soldaten. Jede rote versorgte ihren Soldaten mit einem kleinen Wohnhaus zum leben, ein kleines Stück Land zum kultivieren, ein kleines jährliches Gehalt und eine etwas größere Zahlung in Form von Korn, Brennholz, Heu, usw. Die rote zahlte auch für die Uniform und Waffen ihres Soldaten.

Der rusthåll beruhte auf einem etwas anderen Prinzip. Der rusthåll war eine Abmachung zwischen der Krone und den Eigentümern von größeren Gehöften. Als Entgelt für die Befreiung von der Landpacht und rotering sollte der Gehöft-Eigentümer einen Kavalleristen oder Dragoner mit einem Wohnhaus und allen anderen Vorteilen eines Infanterie-Soldaten im rotehåll unterstützen. Jedoch mussten nicht nur seine Uniform und Waffen bezahlt werden, sondern auch sein Pferd und dessen Ausstattungen. Genau wie bei der Infanterie wurden die Kavallerie und Dragoner-Regimenter, jedes 1000 Mann stark, in einem Kreis oder Bezirk errichtet.

Diese Einrichtung der Regimenter zu Fuß und zu Pferd, bekannt unter "Nummernstärke" (nummerstyrka) im schwedischen Armeesprachgebrauch, schloss nur die Mannschaft und Unteroffiziere ein. Die Offiziere und NCOs wurden stattdessen durch den "wahren" indelningsverk unterstützt. Statt eines Soldes wurde jedem Offizier ein Stück Land zum kultivieren gegeben. Gewöhnlich wurde die Pacht und andere Zahlungen dieser Farm auf nahe gelegene Farmen verteilt. Die Größe der Farm und anderen Vorteile nahmen mit der Rangfolge zu. (Ericson, passim. Grill, pp.11-28 und 39-40, Nilsson 1988, Seiten 103-104)

Der Hauptvorteil des indelningsverk – hier als Bedeutung aller drei Systeme - war, dass ein vernünftig großes, stehendes Heer mit relativ niedrigen Kosten und nur minimaler Verwaltung aufrecht erhalten werden konnte. Das System war so gut, dass es bis 1901 überlebte. Auch unter den Bauern war es sehr populär: Reichere Bauern konnten rusthållare werden und waren so von der Pacht befreit. Ärmere Bauern waren automatisch ein Teil des rotehåll, welches ihre Söhne und Landarbeiter vor der Wehrpflicht schützte. Und da ein indelta Soldat ein Haus und ein kleines Stück Land hatte, war das eine riesengroße Verbesserung im sozialen Status für die meisten jungen Männer die in ländlicher Armut aufwuchsen. Es gab ihnen die Möglichkeit eine Familie zu ernähren. Die indelta Armee hatte nie einen Mangel an Rekruten. Selbst als die indelta Armee im Krieg gegen Russland 1808 und 1809 sehr stark zur Ader gelassen wurde gab es genug junge Männer, welche die Reihen wieder schlossen.

Preiswert und populär wie es war, hatte das indelningsverk einige große Nachteile. Erstens war die Armee nie groß genug. Das bedeutete, dass bei Ausbruch eines jedes Krieges die Indelta-Kräfte mit Reservekräften ergänzt werden mussten. Das machte den Finanzen der Bauern sehr zu schaffen. Während der indelningsverks Existenz wurden verschiedene Systeme der Reserveeinberufung geprüft, gefunden und meistens als unzulänglich verworfen. Außer Beväring (siehe dort). Das ersetzen der Kriegsverluste war auch sehr schwierig. Jede rote und rusthållare musste sowohl den Verlust ihres Soldaten als auch seine Ausrüstung ersetzen. Das war, wenn die Verluste hoch waren, der Ruin für viele Bauern. (Arteus, pp.18-19)

Zweitens war die indelta Armee, obwohl eine reguläre Armee, nicht wirklich ein stehendes Heer, sondern in Bezug auf die Ausbildung und Dienstbedingungen eher wie eine Bauern-Miliz. In der Friedenszeit sollten die Offiziere und Soldaten der indelta Armee von ihren zugeteilten Gehöften leben und die Felder bearbeiten. Gelegentlich gab es für den Trupp oder Zug nach dem Sonntagsdienst etwas Drill. Im Sommer, bevor die Ernte begann, versammelte sich jedes Regiment für ein paar Wochen zu Ausbildung. Trotzdem war die Ausbildung immer ein Problem und die indelta Armee war zweifellos einer der schlechtest ausgebildeten  in Europa, als die napoleonischen Kriege ausbrachen. Außerdem konnten die indelta Einheiten nicht für die Garnisonaufgaben heran gezogen werden. Dieses Personal musste aus einer anderen Quelle kommen. Die Lösung für dieses Problem wurde im värvade gefunden. Das waren geworbene Einheiten.

Jedoch hatten die indelta Einheiten einen riesigen militärischen Verdienst - die Moral. Der typische indelta Soldat war ein Freiwilliger in den 30er Jahren oder 40er Jahren und mit zehn oder fünfzehn Jahren Dienstzeit. Er war verheiratet und gehörte der ländlichen niedrigen Mittelschicht an. Im Gegensatz zu den Nachteilen des indelningsverk und der Qualität der schwedischen Armee im allgemeinen, hatten die  indelta Soldaten immer eine ausgezeichnete Kampfmoral, sind selten übergelaufen und desertierten nie.

Der värvade ("angeworben") Einheiten bestanden aus Berufssoldaten, die für Gehalt dienten, also Söldner waren. Ihre Aufgabe bestanden darin - wie erwähnt - Garnisontruppen in der Friedenszeit zur Verfügung zu stellen. In der Kriegszeit hatten sie gewöhnlich im Feld Garnisonsaufgaben für die Reserve Truppen zu verrichten. Es sollte auch bemerkt werden, dass der Grad von Professionalismus den die Artillerie forderte, nie von indelta Soldaten geleistet wurde. Die Artillerie bestand immer vollständig aus angeworben Truppen.

Es gab keinen Unterschied zwischen den värvade Einheiten und den gemeinen Kräften, welche von Großbritannien oder Preußen während der napoleonischen Kriege eingesetzt wurden. Die gemeinen Truppen waren Söldner: Die Männer verpflichteten sich zum Dienst zwischen drei und zwölf Jahren, erhielten einen reichliche Lohn bei der Einstellung und wurden aus der Staatskasse bezahlt. Da der Dienst in den geworbenen Einheiten unpopulär war und einen niedrigen sozialen Status hatte, war es häufig schwierig Rekruten für diesen Dienst zu werben. Der Kontrast zu den indelta-Einheiten war sehr groß. Die Regeln der Einstellung erlaubten deshalb, Kriegsgefangene, Arbeitslose, Landstreicher und kleinere Verbrecher, gewaltsam zum Dienst zu pressen. (Kungl. Svea livgardes historia, pp.531-538 und 564-565)

Das soziale Make-up der geworbenen Soldaten war sehr heterogen und sie waren sehr verschiedenen im Vergleich zu den Männern in den indelta Einheiten. Normalerweise waren sie in den 20er oder 30er Jahren und wenige waren verheiratet. Ebenso gab es einen großen Ausländeranteil. (Kungl. Svea livgardes historia, pp.552-560, Lundh, pp.83-91)

Der Hauptvorteil der geworbenen Einheiten im Vergleich zum indelta war ihre höhere Ausbildung. Die Unterschiede sollten aber nicht übertrieben werden. Bei den indelta Einheiten war im Sommer eine kurze Ausbildung und in den anderen Jahreszeiten kümmerte man sich um das Haus und die Landwirtschaft. Während die geworbenen Einheiten in den zwei Sommermonaten Drill bekamen. Das bedeutete, dass sie viel besser gedrillt waren als die indelta Einheiten. Der Rest des Jahres wurde aber zum größten Teil mit alltäglichen Garnisonaufgaben verbracht. In dieser Zeit war es üblich bis zur Hälfte der geworbenen Soldaten den Urlaub zu gewähren. Jedoch bekamen nur jene Urlaub die einen Zivilberuf hatten, um sich damit etwas dazu zu verdienen. Aus finanziellen Gründen wurden also weniger als die Hälfte der schwedischen geworbenen Soldaten das ganze Jahr verwendet. Die Mehrheit der Männer ging den größten Teil der Dienstzeit Zivilberufen nach. (Kungl. Svea livgardes historia, Seiten 541-546)

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